So reagiert Travemünde auf den touristischen Frühstart der Nachbarn

„Das ist schon traurig“, sagt Carsten Abbe von der Villa WellenRausch in der Kaiserallee, „traurig ist allerdings vor allem die Gesamtsituation der letzten Monate, weil es doch hinlänglich bekannt ist, dass Gäste in Hotels und Ferienwohnungen nicht die Pandemietreiber sind.“Wirtschaft sollte mit ins Boot geholt werden

Michael Iske, der durch seine Agentur „Ferienwohnungen Travemünde“ rund 800 Betten im Ostseebad an Touristen vermittelt, findet es „schade“, dass nicht zumindest mal im Vorfeld das Gespräch mit den Betroffenen gesucht worden sei. „Fakt ist doch, dass durch die Teilnahme an so einem Modellprojekt Arbeit auf die Verwaltung zugekommen wäre; aber im Gegensatz zu den Unternehmen, die hier im Ort vom Tourismus leben und auf ihn angewiesen sind. Er habe kein Verständnis für Entscheidungen, „die fallen, ohne die Wirtschaft mit ins Boot zu holen. Denn einige Gewerbetreibende in Travemünde mussten mittlerweile schon Insolvenz anmelden“, berichtet Iske. Allerdings hoffe er nun – „Modellregion hin oder her“ – dass angesichts sinkender Infektionszahlen mit nachhaltigen Veränderungen zu rechnen sei, wie von Daniel Günther am Mittwoch angekündigt.

LTM-Chef: Öffnung aller Bereiche verlässlich umsetzen

Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) verteidigt weiterhin das Nicht-Mitmachen: „Es war unabhängig von der Inzidenzentwicklung zum ursprünglich geplanten Modellprojektstart am 19. April richtig, auf Tourismusöffnungen zu verzichten. Die Vorbereitungen für einen sicheren Tourismus hätten mehr Vorlauf benötigt. Der aktuelle Trend gibt uns nun recht.“ Rückendeckung bekommt das Stadtoberhaupt von Christian Martin Lukas. „Das war eine Entscheidung, die seitens der Stadt in Abwägung des Ressourcen-Einsatzes und des Risikos getroffen wurde. Viel wichtiger ist es nun, die umfängliche und abgestimmte Öffnung aller Bereiche im Schulterschluss auch ohne Modellprojektcharakter umzusetzen – verlässlich, aufeinander abgestimmt und von Dauer“, sagt der Geschäftsführer der Lübeck und Travemünde Marketing GmbH

Modellprojekt beinhaltet auch viele Fragezeichen

Travemündes Kurdirektor Uwe Kirchhoff gibt zu bedenken, dass ein vorschnelles Öffnen der touristischen Einrichtungen das Gegenteil von dem bewirken hätte können, was man eigentlich erreichen wolle. „Die Rückabwicklung von Gästebuchungen, das Schließen von Betrieben und eine Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort wäre die Folge“, merkt er an.

Travemündes Kurdirektor Uwe Kirchhoff hält von vorschnellem Öffnen nichts.
Travemündes Kurdirektor Uwe Kirchhoff hält von vorschnellem Öffnen nichts. Quelle: Thomas Krohn

Ein Gedanke, den Andreas Jahn vom Hotel Soldwisch in der Kurgartenstraße durchaus nachvollziehen kann. „Die erste spontane Reaktion auf das ,Nein’ zur Modellregion war auch bei mir durch Verärgerung geprägt. Aber bei genauerem Hinsehen hatte ich viele Fragezeichen, die mit so einem Projekt verbunden wären“, sagt der Hotelier. Ihm sei zum Beispiel nicht ersichtlich, wie im Fall der Fälle bei einer positiven Corona-Testung verfahren werde.

Unterscheidung in Innere und Äußere Lübecker Bucht

„Da gibt es doch ganz verschiedene Denkrichtungen – bleibt der Gast dann auf seinem Hotelzimmer in Quarantäne? Auf wessen Kosten? Muss er sofort abreisen? Wie ist es mit den anderen Gästen und meinen Mitarbeitern?“, fragt er sich. Bei so vielen Wagnissen und damit Verärgerungspotenzial sei Abwarten wohl doch die bessere Lösung gewesen, bis die Corona-Zahlen – wie jetzt – mehr zulassen würden.

Kay Plesse ist Hoteldirektor des Atlantic Grand Hotel Travemünde.
Kay Plesse ist Hoteldirektor des Atlantic Grand Hotel Travemünde. Quelle: Atlantic

Kay Plesse, Chef des Atlantic Grand Hotel Travemünde, bekennt: „Natürlich war ich enttäuscht, als uns Hoteliers die Entscheidung mitgeteilt wurde, dass es keine Bewerbung für eine Teilnahme an diesem Modellprojekt geben wird. Auch als wir dann erfahren haben, dass es eine Unterscheidung in Innere und Äußere Lübecker Bucht gibt, und die Innere den Zuschlag zur Teilnahme erhalten hat, bedeutete dies für uns Hoteliers in Travemünde noch mal einen Rückschlag.“

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