Zu nah an der Steilküste: Jugendhaus Seeblick am Brodtener Ufer schließt für imm

Lübeck fordert Gutachten zur Standfestigkeit
Das Gebäude liegt idyllisch, aber gefährlich. In einem Bescheid der Bauaufsicht sei der Verein aufgefordert worden, bis Ende Februar eine gutachterliche Stellungnahme zur Standfestigkeit des Gebäudes vorzulegen. Anderenfalls beabsichtige die Stadt aus Sicherheitsbedenken die Nutzungsuntersagung der Einrichtung. Am 6. Februar sei zwar bei einer Begehung festgestellt worden, dass das Gebäude augenscheinlich intakt sei, ohne erkennbare Risse und Schäden. Die Abbruchkante liege seit Ende Januar vier Meter von der nordöstlichen Hausecke und elf Meter von der nordwestlichen Ecke entfernt. Da der Abbruch der Brodtener Steilküste jedoch ständig voranschreite, könne eine Nutzung ohne gutachterliche Stellungnahme nicht befürwortet werden. Es werde beabsichtigt, die Nutzung zu untersagen, heißt es weiter in dem Schreiben der Stadt.

 

Betreiber vom Haus Seeblick können Frist nicht einhalten
„Wir haben uns sofort bemüht, einen Gutachter zu finden, leider ohne Erfolg“, sagte Renate Paulien-Wittmaack den LN. Alle Sachverständigen hätten mit Hinweis auf eventuell noch bevorstehende Stürme eine Begutachtung vor April nicht für sinnvoll befunden und abgelehnt. „Wir können also die Frist bis Ende Februar nicht einhalten.“ Da die Stadt in diesem Fall den Betrieb der Einrichtung untersagt hätte, habe der Verein entschieden, das Haus mit sofortiger Wirkung zu schließen. Paulien-Wittmaack: „Wir waren bereits von März bis einschließlich Oktober ausgebucht. Die Gruppen und Vereine sollen jetzt rechtzeitig Bescheid erhalten, damit sie sich nach anderen Unterkünften umsehen können.“
 
Langjährige Geschichte am Brodtener Ufer geht zu Ende
Mit der endgültigen Schließung des Jugendhauses Seeblick geht eine langjährige und bewegte Geschichte zu Ende. Ende 2011 übernahmen die Falken die seit den 1950er-Jahren vom Lübecker Jugendring betriebene Einrichtung. Das schlug in der Lübecker Bürgerschaft hohe Wellen, denn die SPD-nahe Organisation hatte das Haus mitsamt dem etwa 1000 Quadratmeter großen Grundstück von der städtischen Grundstücksgesellschaft „Trave“ für 25 000 Euro erworben. Angeblich sei der Wert viel höher gewesen, wurde aus der Politik kritisiert.

Im November 2019 feierte das Helferteam mit Falken-Vorsitzender Renate Paulien-Wittmaack (links) und zahlreichen Gästen den 100. Geburtstag des Gebäudes.

Im November 2019 feierte das Helferteam mit Falken-Vorsitzender Renate Paulien-Wittmaack (links) und zahlreichen Gästen den 100. Geburtstag des Gebäudes. © Quelle: Thomas Krohn

Immer wieder Abbrüche am Wanderweg
Das Haus stand bereits damals nur etwa zehn Meter von der Abbruchkante entfernt. Die ungewöhnliche Lage des Gebäudes über dem 20 Meter hohen Steilufer war nicht nur ein beliebtes Fotomotiv für Ausflügler. Das Haus Seeblick diente auch mehrere Male als Kulisse für Filmaufnahmen. „Gefühlt fast jeder zweite Lübecker hat in dem Haus schon einmal seine Freizeit verbracht“, schätzt Renate Paulien-Wittmaack. Doch die Natur zeigte sich unerbittlich: Im Laufe der Jahre, meistens nach vielen Stürmen, Dauerregen und Frost, brachen immer wieder Teile des Kliffs zwischen Travemünde und Niendorf ab.

Da geht es nicht weiter: Der Wanderweg am Jugendhaus Seeblick ist gesperrt.

Da geht es nicht weiter: Der Wanderweg am Jugendhaus Seeblick ist gesperrt. © Quelle: Thomas Krohn

Nicht jedes Mal direkt am Haus Seeblick, aber der etwa viereinhalb Kilometer lange Wanderweg musste mehrmals ins Landesinnere verlegt werden. In der Nacht vom 29. auf den 30. Januar 2024 kam das Erdreich nach wochenlangen Regengüssen wieder vor dem Jugendhaus ins Rutschen. Bis auf etwa einen Meter vor der Grundstücksgrenze klaffte ein riesiges Loch. Der Wanderweg wurde umgehend gesperrt. Spaziergänger und Radfahrer mussten einen großen Umweg weit weg von der Steilküste nehmen. Eine Gefahr für das Haus sah der Förderverein jedoch nicht. Anfang Februar kam die erste Gruppe in diesem Jahr zu einer Freizeit in das Jugendhaus.

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Antrag auf Abriss soll bald erfolgen
Jetzt also das Aus für das Haus Seeblick. Und wann wird das Gebäude abgerissen und damit ein endgültiger Schlussstrich gezogen? „Der Abriss wäre unser nächstes Thema. Wir können ja nicht warten, bis die Abbruchkante noch näher rückt“, sagt Paulien-Wittmaack. Der Verein werde, sobald es erforderlich sei, einen entsprechenden Antrag bei der Stadt stellen. Leid täten ihr vor allem die Kinder und Jugendlichen, die sich auf eine Freizeit in diesem Jahr gefreut hätten.

Die LN haben auch die Stadt um eine Stellungnahme gebeten. Diese liegt aber bislang nicht vor.

LN