Noch sieht sie aus wie ein Ufo von einem anderen Stern, erinnert ein bisschen an das Raumschiff im Roland-Emmerich-Hollywoodstreifen „Independence Day“. Im wahrsten Wortsinn völlig losgelöst von der Erde steht die neue Priwall-Elektrofähre aufgebockt in der großen Schiffbauhalle der Stralsunder Werft Ostseestaal. Genau genommen nur ihr 155 Tonnen schwerer Rumpf. Dieser wurde am Mittwochvormittag auf Kiel gelegt – eine feierliche Zeremonie im Schiffbau.
Einsatz der neuen Fähre eigentlich ab 2022 geplant
Lange hatte es gedauert. Eigentlich sollte eine neue Fähre zwischen Travemünde und dem Priwall bereits ab 2022 pendeln. Mit der Zunahme des Tourismus im lübschen Seebad und auf der Halbinsel waren die Fahrgastzahlen gestiegen, die Warteschlangen an den Fähranlegern auf beiden Seiten wurden immer länger. Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) brachte beim Hanse-Talk während der Travemünder Woche 2018 sogar die Idee einer Fähre mit gläsernem Boden ins Spiel, die jedoch nicht weiter verfolgt wurde, auch vom Verwaltungschef der Hansestadt.
Zwischen Travemünde und dem Priwall soll ab 2023 eine neue Elektrofähre verkehren. Am Mittwoch, 9. November, war die Kiellegung in Stralsund. Das sind die Bilder.
Doch der Ruf nach einer ganzjährigen Fährverbindung zwischen der Nordermole und dem Priwall wurde immer lauter, zudem der nach einer Autofähre, die anders als die bisher eingesetzten und teilweise betagten Fähren weniger oder kaum noch Schadstoffe ausstößt. Der Aufsichtsrat des Stadtverkehrs setzte auf Klimaschutz und beschloss am 11. Juni 2020 die Anschaffung einer dritten Autofähre mit Hybridantrieb. Die mit Kosten von 4,2 Millionen Euro veranschlagte Fähre sollte baldmöglichst ausgeschrieben werden, und das Schiff sollte 2022 seinen Betrieb aufnehmen
Die neue Priwall-Elektrofähre
Völlig losgelöst von der Erde: Der Rumpf der neuen Priwallfähre - hier die Vorderansicht - steht aufgebockt in der großen Halle der Werft Ostseestaal.
Auch das Heck der neuen Priwallfährer mutet zurzeit noch etwas utopisch an.
Stadtverkehr-Geschäftsführer Andreas Ortz (v.r.), Ampereship-Projektleiter Ingo Schillinger und Stralsunds Oberbürgermeister Alexander Badrow zeigen die Zwei-Euro-Münze mit dem Holstentor, die anschließend unterhalb des Rumpfs der Fähre gelegt wurde.
Stadtverkehr-Geschäftsführer Andreas Ortz war es vorbehalten, die Zwei-Euro-Münze unter den Rumpf der Fähre zu legen.
Einige Aufbauten der Fähre sind bereits im Rohbau fertig und werden demnächst auf das Schiff gehoben.
So sieht die neue Elektro-Fähre in einer Computeranimation aus.
Die neue Priwallfähre wird in der Stralsunder Werft Ostseestaal gebaut.
Drei Autofähren gehören zur Flotte des Fährbetriebs: die „Pötenitz“, die „Travemünde“ und die betagte „Berlin“ (rechts), die allerdings nur als Ersatz eingesetzt wird.
Die neue Autofähre, deren Name noch nicht feststeht, ist 37 Meter lang und 13,50 Meter breit. Sie wird von zwei 231-kW-Voith-Elektroaggregaten angetrieben und verkehrt mit einer Dienstgeschwindigkeit von 6 km/h. Möglich ist eine maximale Geschwindigkeit von 14 km/h. Die Doppelendfähre (Bug und Heck sind symmetrisch gebaut, sodass das Schiff gleich vorwärts wie rückwärts fahren kann und in beide Fahrtrichtungen die gleiche Manövrierfähigkeit besteht), kann bis zu 300 Personen sowie 15 Fahrräder und 18 Pkw oder zwölf Pkw und zwei Lkw befördern. Ihren Betrieb aufnehmen soll die Fähre nach Angaben des Stadtverkehrs im Frühjahr 2023.
Fünf Werften an Ausschreibung beteiligt
So schnell ging es dann doch nicht. Es erfolgte eine europaweite Ausschreibung. Fünf Werften wurden nach Durchführung eines Teilnahmewettbewerbs zur Abgabe eines Angebots aufgefordert. Den Zuschlag erhielt schließlich die Stralsunder Werft Ostseestaal, ein Unternehmen, das etwa 200 Mitarbeiter beschäftigt und das sich auf die Herstellung und Lieferung von passgenauen Bausätzen aus zugeschnittenem und dreidimensionalem Blech spezialisiert hat. Die Werft ist zudem bekannt für den Bau von emissionsfreien Elektro-Solarschiffen und Fähren für die Berufsbinnenschifffahrt. Mit im Boot ist das Unternehmen Ampereship, Marktführer beim Bau von Elektro-Solarfähren und Passagierschiffen.
„Ein anspruchsvolles Schiffsbauprojekt“
Die anfänglich geschätzten Kosten von 4,2 Millionen Euro für die neue Fähre wurden im März 2022 auf fünf Millionen Euro nach oben korrigiert. Die neue elektrobetriebene Fähre könnte ein Aushängeschild für den Fährbetrieb werden. „Mit der Priwallfähre realisieren wir zum zweiten Mal für die Binnenschifffahrt ein Neubauprojekt mit vollelektronischem Antrieb, das dafür ausgelegt ist, außer Fahrgästen auch Fahrzeuge zu transportieren“, sagte Thomas Kühmstedt, Technischer Direktor von Ostseestaal und Geschäftsführer von Ampereship im März 2022. Und ergänzte: „Es handelt sich um ein sehr komplexes und anspruchsvolles Schiffsbauprojekt.“
Feierliche Zeremonie in der Schiffbauhalle
Nun also am Mittwochmittag die feierliche Kiellegung der neuen Fähre in Stralsund. Dazu hatte Stadtverkehr-Geschäftsführer Andreas Ortz drei seiner Mitarbeiter mitgebracht: Fährleiter und Kapitän Torben Brenker, Decksfrau Sandra Mehlmann und Schiffsführer Bernhard Holst. Gekommen waren zudem Stralsunds Oberbürgermeister Alexander Badrow (CDU), Ampereship-Projektleiter Ingo Schillinger, Ostseestaal-Marketing-Manager Philipp Peuß sowie Mitarbeiter der Werft. „Ganz besonders stolz macht mich, dass wir die ersten sind, die nach langer Zeit wieder in dieser symbolträchtigen Halle ein Schiff auf Kiel legen“, sagte Peuß. Ostseestaal hatte bereits im Herbst 2017 mit der „Sankta Maria II“ die weltweit erste Elektro-Autofähre für Binnengewässer abgeliefert, zudem in diesem Jahr drei weitere elektrische Passagierschiffe. Stadtverkehr-Geschäftsführer Ortz sagte: „Wir freuen uns in Lübeck sehr auf die neue Fähre.“
Münze mit Holstentor-Prägung eingesetzt
Ihm war es vorbehalten, das Jahrtausend alte Ritual vor der Kiellegung vorzunehmen. Dafür legte er eine Zwei-Euro-Münze, auf der das Holstentor geprägt wurde, zwischen Rumpf und Holzbock. Nach einem kurzen Signal ließ ein Kran das Schiff einige Zentimeter herunter – und die Kiellegung war vollzogen. „Die Münze soll symbolisieren, dass das Geld mit dem Schiff eins ist, genügend Aufträge erhält und Erträge einfährt“, erklärte Projektleiter Schillinger.
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