Ferienparadies Priwall: Wurden Häuser zu hoch gebaut?

Von Josephine von Zastrow
LÜBECK. Zoff auf dem Priwall: In der Wochenendhaus-Siedlung hängt der Haussegen schief - und das seit Jahren. Es geht um massiven Streit innerhalb der Gemeinschaft der Eigentümer. Der Krach wird vor Gericht verhandelt. Dabei geht es unter anderem um die Höhe eines Neubaus. Und die Stadt mischt bei dem Fall auch mit. Denn sie weiß um die Probleme in der Siedlung - schreitet aber aus Mangel an Personal nicht ein.
     Groß ist das Schweigen. Denn reden will zu der Sache kaum einer. „Ich werde mich nicht dazu äußem“, sagt Klaus-Peter Freischmidt, neuer Vorsitzender des Vereins der Teileigentümer-Gemeinschaft der Wochenend-haus-Siedlung (TEG). Verwaltet wird sie vom Wohnungsunternehmen Denker GmbH.
     Der Hintergrund: Die Hausbesitzer der Siedlung haben Klage eingereicht gegen eine Hausbesitzerin. Es geht um den Bau eines neuen Wochenendhauses im Seeweg. Unter anderem ist die Frage: Wurde das Haus zu hoch gebaut? Seit 2018 wird vor dem Amtsgericht Lübeck verhandelt. Eingereicht hat die Klage die Denker GmbH im Auftrag der Wochenendhaus-Besitzer. Es gibt noch kein Urteil. Das erklärt ein Sprecher des Gerichts auf LN-Anfrage.
     Bemerkenswert: Es gibt noch einen weiteren offiziellen Vorgang zu dem Haus. Die Stadt hat die Baugenehmigung dafür zurückgezogen. Dabei hat sie die Genehmigung selbst erteilt. Das bestätigt die Stadt auf LN-Arıfrage. So etwas passiert nach Auskunft der Stadt in 20 Jahren nur selten - fünf bis sechs Mal.
     Allerdings: Bei der Baugenehmigung geht es nicht um die Höhe des Hauses. Sondern es geht um die Nutzung des Hauses. Die Stadt hat am 29. Juli 2020 einen Kiosk in dem Haus genehmigt. Am 15. Februar 2021 hat sie die Genehmigung zurückgezogen.Heißt: Das Haus kann stehen bleiben. Es darf aber nicht als Kiosk genutzt werden. „Dagegen haben wir Widersprucih eingelegt", sagt Makler Thorsten Kerkhoff. Er vertritt die Hauseigentümerin im Seeweg. „Denn das Grundstück ist ein Gewerbegrundstück."
     Wie ist die Stadt auf das Haus im Seeweg aufmerksam geworden?. Nachbam und Politiker haben sich bei der Stadt beschwert. Die Hauseigentümerin gehört zu den Neuen in der Siedlung - und nicht zu den Alteingesessenen. Stadt-Sprecherin Nicole Dorel: „Neben eines Widerspruchs der benachbarten Parzellen-Eigentümerin lagen auch Hinweise der Wochenendhaus-Gemeinschaft und der Politik vor. "
    Doch die Besitzerin des Hauses will die Sache nicht auf sich sitzen lassen. „Die Stadt hat den Wildwuchs auf dem Priwall immer geduldet ", sagt ihr Makler Thorsten Kerkhoff. In der Wochenendhaus-Siedlung werde dauerhaft gewohnt, Ferienwohnungen würden vermietet und es gebe Häuser, die in der Form nicht hätten gebaut werden dürfen.“ Kerkhoff wehrt sich dagegen, dass nur die Hausbesitzerin im Seeweg beklagt wird. Kerkhoff: „Entweder müssen alle ihre Häuser zurückbauen oder keiner. “
    Daher haben Kerkhoff und sie 17 Wochenendhäuser mit Adressen aufgelistet, die nicht korrekt gebaut worden seien. Teilweise werde darin dauerhaft gewohnt, so die Anschuldigung. Das ist in der Siedlung nicht erlaubt. Die Adressen sollen von einem Rechtsanwalt überprüft werden. Diese Forderung stand auf der Tagesordnung eines Treffens der TEG am vergangenen Freitag. Allerdings: Die heiklen Punkten wurden allesamt von der Tagesordnung gestimmt.
     Klar ist: Um die Wochenendhaus-Siedlung hat sich keine Behörde so richtig gekümmert - seit Jahrzehnten. Denn das Areal lag direkt der innerdeutschen Grenze zur DDR.Man war froh, dass sich Lübecker ,ein Häuschen fürs Wochenende eingerichtet haben. Nun allerdings ist die Grenze weg, der Priwall beliebt - und es gibt einen Touristen-Boom.
     Diese Probleme sind der Stadt bekannt. Aber es fehlen an Leuten, um alle Häuser der Siedlung zu prüfen. "Die untere Bauaufsichtsbehör gab an, dass dem Fachberech Stadtplanung und Bauord nung die Probleme Wocheendhaus-Nutzung und Ferienhaus-Nutzung bekannt seien.“ So steht es in einem Schreiben des Innenmirıistriums vom 9. September 2020 das den LN vorliegt. Dawird die Lübecker Bauverwaltung zitiert. „Ebenso sei aktenkundig, dass auf einzelnen Parzellen seit Jahrzehnte entgegen dem B-Plan eine Dauerwohnnutzung stattfände."
     Weiter heißt es: „Zusammenfassend habe sich der Charakter durch die neue Eigentümer und damit auch der bauliche Charakter der Wochenendhaus-Siedlung Priwall in den vergangenen Jahren verändert." Warum die Stadt nichts dagegen unternimmt, ist ebenfalls in dem Schreiben zitiert: „Aus personellen Gründen könne die Bauaufsichtsbehörd gegen diese baurechtswidrigen Zustände nicht systematisch vorgehen. Ein punktuelles Vorgehen wäre rechtswidrig".
     Wie geht es weiter? Eine Änderung des Bebauungsplans wäre die richtige Lösung aus Sicht des Landes. So steht es in dem Schreiben. Das sei aber nicht geplant, heißt es von der Stadt. Kerkhoff wil seinerseits andere Hauseigentümer verklagen, die aus seiner Sicht nicht korrek gebaut haben. Er drückt das so aus: „Die Welle rollt.

Wochenendhaus-Siedlung
In dem Gebiet zwischen Strand und Mecklenburger Landstraße verlaufen parallel vier kleine Wege. Dort stehen
440 Häuschen. Zu DDR-Zeiten lagen sie an der innerdeutschen Grenze - kaum jemand wollte dort seinen Urlaub verbringen. Heute indes sind die Wochenendhäuschen extrem beliebt.

Das Areal gehörte der Stadt.
Sie hat die Grundstücke ab 2003 verkauft. Allerdings im Teileigentum. Heißt: Wie in einem Mehrfamilienhaus mit
Eigentumswohnungen gibt es eine Eigentümer-Gemeinschaft.

Auf dem Prlwall bilden die Wochenend-Hausbesitzer die Teileigentümer-Gemeinschaft (TEG) Wochenendhaus-Siedlung Priwall. Verwaltet wird sie vom Wohnungsunternehmen Denker GmbH. Daneben gibt es den Verein der Wochenendhaus-Besitzer. Der Vorsitzende ist Klaus-Peter Freischmidt.