Der Strandbahnhof Travemünde – ein architektonisches Schmuckstück. 1912 erbaut, Bahnstation für Urlauber und Tagestouristen, die den Strand des Seebads besuchen wollen. 2015 wurde das Gebäude von einem privaten Investor ersteigert. Der hatte große Pläne, kommunizierte diese auch öffentlich. Passiert ist seitdem nicht viel – eher im Gegenteil. Der Bahnhof und vor allem sein Umfeld verkommen zusehends. Anwohner beschweren sich über eine angeblich illegale Nutzung des Areals, über Vermüllung und Verwahrlosung. Besonders ein Wohnmobilstellpatz sorgt für Ärger.
Anwohner ärgert Müll am Strandbahnhof
Michael Hoffmann ist sauer. Im Mai 2020 hat er sich bei der Stadt Lübeck beschwert, schriftlich, dass der Anblick des Strandbahnhofs Travemünde „eine Zumutung“ sei. Schrottteile, Bauschutt, Gartenabfälle, ausrangierte Lkw-Auflieger und abgemeldete Kraftfahrzeuge auf dem Gelände seien eine Zumutung, schrieb er. Er stellte Fragen, etwa, ob ein Bauantrag für die Nutzung eines Campingplatzes auf dem Gelände gestellt wurde. Eine Antwort von der Stadt hat er bisher nicht bekommen, ebenso nicht auf seinen Widerspruch vom Juni 2016, in dem er als unmittelbarer Nachbar gegen einen Bauvorbescheid für die Zusage von 45 Stellplätzen am Strandbahnhof einlegte.
Petitionsausschuss sieht kein Grund zum Handeln
Im Juni 2021 schrieb Hoffmann an den Petitionsausschuss des Schleswig-Holsteinischen Landtags, mit der Bitte, sich des Problems anzunehmen. Die Reaktion war ernüchternd. Der Ausschuss gehe davon aus, dass die Stadt Lübeck auf eine Problemlösung hinarbeiten werde und sei zuversichtlich, dass eine zufriedenstellende Lösung für die Anwohner und die Stadt erreicht werden könne, so steht es in der lapidaren Antwort des Gremiums. Kritik an der Stadt übt der Petitionsausschuss dann doch noch im letzten Absatz seines Schreibens. In diesem Verfahren wäre es wünschenswert gewesen, dem Petenten zumindest eine Information darüber zu geben, aus welchen Gründen eine Bescheidung des Widerspruchs unterblieben ist. Die Verwaltung könne zukünftig stärker erwägen, einen Hinweis auf die Verzögerung der Beantwortung des Anliegens zu versenden. Auch dadurch werde zu einem transparentem und bürgerorientiertem Verwaltungshandeln beigetragen.
Anwohner für neues Nutzungskonzept
Mit seiner Kritik an den Zuständen am Strandbahnhof steht Michael Hoffmann nicht allein. Immer mehr Anwohner aus den angrenzenden Straßen Godewind und Fehlingstraße sehen eine Beeinträchtigung der Wohnqualität im Viertel. „Uns stört der Lärm, wenn bereits am frühen Morgen und auch abends Wohnmobile rangiert werden. Am Wochenende kommen dann Autofahrer, parken ein und verrichten erst einmal ihre Notdurft in den Hecken“, empört sich Regina Bondzio. Katerina Wollner hat beobachtet, dass ein Gullydeckel auf dem Parkplatz täglich verschoben wird: „Der Verdacht liegt nahe, dass die Camper dort ihre Abwässer und anderes entsorgen.“ Anita Mosly fühlt sich durch die Abgase der Kraftfahrzeuge und den Lärm belästigt. „Und wenn am Abend die Fischbrötchenbude neben dem Bahnhof geschlossen ist, laufen dort Ratten herum, weil der Müll liegengelassen wurde.“ Einig sind sich die Anlieger darin, dass es ein neues Konzept für die Nutzung des Strandbahnhofs geben soll. Dafür haben sie Vorschläge. Das Thema Bahnhof solle wieder im Mittelpunkt stehen, lautet das Credo. In der Bahnhofshalle vielleicht ein Bauernmarkt, ein Blumengeschäft, Veranstaltungen wie Lesungen, Ausstellungen, Tanzkurse, Reisevorträge – die Liste der Ideengeber ist lang.
Eigentümer hatte große Pläne
Im Internet ist das Areal am Strandbahnhof unter den Stichwörtern „Parkplatz Wohnmobil und Pkw in Travemünde“ zu finden. Betreiber ist danach die Firma Sea View Parking Ltd. mit Sitz in Bishop’s Stortford, einem kleinen Ort nahe London. Im Wirtschaftsinformationsportal North Data wird als Direktor Ralph Kaerger-Thofern genannt. Dieser hatte den Strandbahnhof im Herbst 2015 für 760 000 Euro von der Bahn AG ersteigert. Große Pläne mit dem Gebäude hatte er damals, wie er bei einem öffentlichen Talk während der Travemünder Woche 2016 verriet. Die Halle und die Außenanlagen sollten wieder mehr belebt werden, es sollen öffentliche Räumlichkeiten werden für Konzerte, Kleinkunst, Hochzeiten, Firmenveranstaltungen. Zudem soll der Bahnsteig wieder überdacht, das Gleis wiederhergestellt werden. Und auch einen kleinen Biergarten könne er sich gut vorstellen. Passiert ist bisher nichts. Der Eigentümer hat sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, will offenbar keine Fragen mehr zum Strandbahnhof beantworten. Jedenfalls ist dies aus seinem Umfeld zu vernehmen. Versuche der LN, Kaerger-Thofern zu erreichen, blieben ohne Erfolg.
„Das ist ein ganz normaler Parkplatz“
Zum Pkw- und Wohnmobilstellplatz und den Beschwerden von Anwohnern äußert sich zumindest Oliver Kronshage, der am Strandbahnhof einen Motorroller- und Quadverleih betreibt und sich auch um den Parkplatz kümmert. „Das ist alles völlig legal. Es ist ein ganz normaler Parkplatz mit einer Genehmigung und kein Campingplatz“, sagt er. Wohnmobile dürften zur Wiedererlangung der Fahrtüchtigkeit der Fahrer dort abgestellt werden. „Die parken da nur.“ Und: „Jedes Wohnmobil hat eine eigene Toilette, es pinkelt niemand in die Büsche.“ Theoretisch dürften auf dem Platz auch Baufahrzeuge, Lkw und Panzer abgestellt werden, „das geht niemanden etwas an.
Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
Zur rechtlichen Situation, etwa darüber, was am Strandbahnhof behördlich genehmigt ist, ob Verstöße gegen eine Nutzung vorgefallen sind und wie die Hansestadt zur Kritik am Zustand des Bahnhofs steht, will die Stadt nichts sagen. Offenbar läuft zurzeit eine gerichtliche Auseinandersetzung. „Aufgrund des laufenden Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Schleswig können wir derzeit leider keine Aussagen zur Sachlage treffen“, teilt Sprecherin Nicole Dorel auf LN-Anfrage mit. Worum es in dem Verfahren geht, sagt die Stadt nicht. Aber zur Kritik des Petitionsausschusses, dass die Kommunikation gegenüber dem Widerspruchsführer verbesserungswürdig sei: „Diese Anregung wird die Hansestadt Lübeck aufgreifen, um künftig den Dialog zu verbessern.“
Von Thomas Krohn