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Flucht vom Priwall: Fährpreise, Waterfront: Gastronomen vom Trave-Ufer wollen nur noch weg

9 Jahre 5 Monate her #114 von Erdmann Eckhard
Flucht vom Priwall: Fährpreise, Waterfront: Gastronomen vom Trave-Ufer wollen nur noch weg, 24 Jul. 2012 09:18

Flucht vom Priwall:
Fährpreise, Waterfront: Gastronomen vom Trave-Ufer wollen nur noch weg
Travemünde 28.09.2010 |
»Nur vom Priwall selber kannst Du nicht leben«, meint Lothar, Koch vom Restaurant »Ambiente« auf der Travemünder Halbinsel. Aber die Gäste von außerhalb werden immer weniger. Das Ambiente steht zum Verkauf, genauso wie das »Pesel« ein paar hundert Meter weiter. Andere Restaurants geben aufgrund des geplanten Projektes »Waterfront« auf. Praktisch die ganze Gastronomie am Traveufer will weg oder »wird gegangen«, wie man so schön sagt.

Top-Lage, Terrasse mit Traum-Blick: Trotzdem wollen die Gastronomen vom Restaurant »Ambiente« weg vom Priwall. Viele Kollegen auch.

Fünf Jahre sind die jetzigen Betreiber des Restaurants »Ambiente« schon auf dem Priwall, vier Teilzeitkräfte und drei Angestellte finden hier ihr Auskommen. Das erste Jahr ist immer das Schwerste, auch in der Gastronomie. Dann ging es aufwärts, jedes Jahr mit zweistelligen Zuwachsraten. Für 2010 rechnen die Betreiber nun mit massiven Einbrüchen um die 30 Prozent. Nicht allein die Fähren sind dran Schuld, es sind viele Faktoren. Ein verregneter Mai und ein verregneter August etwa. Der beste Umsatztag des Jahres war im »Ambiente« im September. Gut sind die Holländer vom Feriendorf, die nie ohne Kaffee und Dessert vom Tisch aufstehen. Schlecht der Wegfall der OstseeCard als Fährkarte. 90 Cent pro Nase bei einer sechsköpfigen Familie, das wird dann schon mal anderswo wieder eingespart. Oder man fährt gar nicht erst rüber.
Die Gastronomie auf dem Priwall treffen die Fährpreis-Erhöhungen gleich doppelt: Zusätzlich gilt ja seit Januar 2010 die OstseeCard (Nachfolger der Kurkarte) nicht mehr als Fahrausweis für Urlauber, die zu Fuß oder mit dem Rad auf den Priwall wollen. Billiger geworden ist sie aber auch nicht.
Die Gäste würden nicht verstehen, warum sie dasselbe bezahlen und weniger Leistung kriegen, meint Kellner Rainer vom Restaurant »Pesel«, das auf dem Priwall gleich gegenüber der Fähre liegt. In früheren Zeiten gab es zwar auch keine freie Fahrt mit der OstseeCard, aber da waren die Fährpreise längst nicht so hoch. Ein verhängnisvolles Zusammenspiel.
Das »Pesel« steht nun ebenfalls zum Verkauf, die Wirtin möchte die Seite wechseln, auf die Stadtseite von Travemünde. Das Pesel wird sie weiter betreiben, bis ein Käufer gefunden ist.

Ambiente, Pesel, Seglermesse, Passat-Terrasse: Wer in zwei Jahren am Traveufer auf der Priwall-Seite entlangspaziert, wird kein vertrautes Gesicht in der Gastronomie mehr sehen.

Weiter Richtung Ostsee kommt man zum Passathafen mit dem Restaurant »Seglermesse«. Der langjährige Betreiber Gert Schill lässt seinen Vertrag zum 31. Januar 2012 auslaufen, will sich die mögliche Waterfront-Baustelle nicht antun. Dann geht er halt früher in Pension.
Ein paar Meter weiter führen Silvia und Skender Semsi das Restaurant »Passat-Terrasse«. Ihr Vertrag läuft eigentlich noch bis zum Jahr 2016, aber sie haben ihn zum Ende nächsten Jahres erstmal aufgelöst. Vielleicht verlängern sie wieder, wenn man sie fragt, aber vier Jahre hin und her wegen des Waterfront-Projektes sind eigentlich genug. Die Fährpreise tun ein Übriges: Als sie ein Angebot für ein Stück Kuchen plus eine Tasse Kaffee für 3,00 Euro hatten, hätten Urlauber schon Scherze gemacht: »Das ist ja billiger als Fähre fahren«.
Grund des Ärgers um die OstseeCard sind die gescheiterten Verhandlungen zwischen Kurbetrieb und Stadtverkehr. Der Kurbetrieb Travemünde hatte einen sehr guten 10-Jahres-Vertrag abgeschlossen. Jährlich gingen 25.000 Euro an den Stadtverkehr, dafür konnten Inhaber der OstseeCard kostenlos zu Fuß und mit dem Rad die Priwall-Fähre nutzen. Dann lief der Vertrag aus, und der Stadtverkehr legte nach, die Zahl wurde im Kurbetriebs-Ausschuss genannt: 170.000 Euro. Seitdem ist Schluss mit den kostenlosen Fährfahrten. Die Diskussion um die Fährtarife beginnt nun von neuem. Wegen der OstseeCard gab es bereits eine Gesprächsrunde mit Touristikern, Vereinen, Verbänden und Stadtverkehr, für 2011 eine Lösung zu finden. Und die Travemünder SPD will in der Bürgerschaft die Extraberechnung für Fahrräder bei den Fußgängerjahrskarten abschaffen (TA berichtete).
Der Pachtvertrag für das »Ambiente« läuft zum 30.10.2011 aus, die Betreiber hoffen, dass sie schon früher weg können. Koch Lothar will weiter der Küste treu beleiben, weiß noch nicht genau, wohin es ihn zieht. Aber soviel ist klar: »Irgendwo an der Küste, wo ich mich nicht über so eine Fähre ärgern muss.« TA

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