Der Flughafen Priwall war Lübecks Luftkreuz des Nordens

Moment mal – auf dem Flughafen Priwall? Richtig gelesen: Dort, wo heute das „Naturschutzgebiet Südlicher Priwall“ einer Vielzahl von Tieren, darunter Zugvögeln in hoher Artenzahl, einen Lebensraum bietet, existierte im letzten Jahrhundert ein Flughafen. Mehr sogar noch, das Areal ermöglichte nicht nur herkömmlichen Flugzeugen die Landung, sondern besaß auch einen Wasserflughafen in der Pötenitzer Wiek. „Es war einst der größte kombinierte Wasser- und Landflughafen Deutschlands. Besonders in den späten 1920er-Jahren war der Flughafen Priwall bedeutender als der in Blankensee“, erklärt Rolf Fechner weiter, der das Buch Luftfahrt auf dem Priwall und Pötenitz verfasst hat.

Lübecks verschwundene Orte – die Serie

Der Serienteil ist ein gekürzter Auszug aus dem Buch „Lübecks verschwundene Orte“, das, wie schon die „Lübecker Geheimnisse“, in Kooperation zwischen den Lübecker Nachrichten und dem Bast Medien Verlag erschienen ist. Das Buch (Hardcover) kostet 24 Euro, hat 192 Seiten und ist durchgehend bebildert. Erhältlich ist es im LN Digital Store, Königstraße 671, in den LN-Geschäftsstellen in Bad Segeberg und Neustadt sowie im Online-Shop unter LNShop.de, im Buchhandel oder direkt beim Verlag unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! (versandkostenfrei). ISBN: 978-3-946581-94-9, ebenso wie die Lübecker Geheimnisse ISBN: 978-3-946581-25-3.

Verbindungen nach Moskau und Madrid
Bereits 1908 entstand der Lübecker Verein für Luftschifffahrt, 1914 dann der kombinierte Flughafen auf dem Priwall und in der Pötenitzer Wiek. Ein Vorteil für den Luftverkehr, denn Wasserflugzeuge haben durch ihre Konstruktion schlichtweg den Vorteil, dass sie, wie der Name verrät, auf dem Wasser starten, über dem Wasser fliegen und auf dem Wasser landen können – also praktisch überall, wo bestimmte Bedingungen gegeben sind: „Mit einer Länge von 3000 Metern, einem Tiefgang bis zu neun Metern und geringem Wellengang bot die Pötenitzer Wiek ideale Bedingung für einen Wasserflughafen. Und im Gegensatz zur unsicheren Ostsee ist das Binnengewässer südlich des Priwalls geschützt“, erklärt Rolf Fechner.

 

Während des Ersten Weltkrieges (1914-1918) diente der Flughafen zur Produktion von Kampfflugzeugen und Ausbildung von Piloten. Mit Kriegsende und dem danach beschlossenen Versailler Vertrag, der unter anderem das Verbot zur Herstellung von Flugzeugen in Deutschland beinhaltete, begann ab etwa 1921 der zivile Luftverkehr. Erst als das Pariser Luftfahrtabkommen von 1926 schließlich Lockerungen des Vertrags vorsah, hob die zivile Luftfahrt am Priwall regelrecht ab: Am 15. November 1927 eröffnete der größte kombinierte Wasser- und Landflughafen in Deutschland und wurde zum Luftkreuz des Nordens: mit Verbindungen nicht nur in den skandinavischen Raum, sondern bis nach Madrid, Moskau – sogar bis ins heutige Istanbul, das bis 1930 Konstantinopel hieß.

Die Autorinnen Annika Stahl (r.) und Melanie Kunze sowie Fotograf Olaf Pokorny freuen sich sehr über das Erscheinen von „Lübecks Verschwundene Orte“.

Die Autorinnen Annika Stahl (r.) und Melanie Kunze sowie Fotograf Olaf Pokorny freuen sich sehr über das Erscheinen von „Lübecks Verschwundene Orte“. © Quelle: René Stein, Bast Medien / Montage: Wapner

Luftschiff „Graf Zeppelin“ landete
„In der Zeit sind auch zwei Großereignisse zu nennen“, merkt der Travemünder an. „Im Jahr 1931 landete im Rahmen der Feierlichkeiten zum Ostseejahr das Luftschiff Graf Zeppelin auf dem Priwall.“ Ein Ereignis, das über 20.000 Zuschauer anzog. Ein Jahr später landete ein weiteres Luftschiff der Superlative: „Die Do-X, das zu ihrer Zeit größte Flugboot der Welt, also ein kombiniertes Wasser- und Landflugzeug, landete 1932 auf dem Priwall.“ Die 170 Fluggäste seien in Südamerika gestartet und mit einem Zwischenhalt in New York weiter zum Priwall geflogen. „Von dort unternahm die Do-X einen Rundflug über die Ostsee.“

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Doch die Vorzeichen des Zweiten Weltkriegs (1939-1945) erstreckten sich auch auf den Flughafen Priwall – wenn auch zunächst verdeckte. So diente ab 1928 das Flughafengelände zusätzlich einem anderen Zweck, der ab 1934 schließlich den zivilen Luftverkehr komplett verdrängte: In der sogenannten „E-Stelle See“ – der Erprobungsstelle See – wurden entgegen den Bestimmungen des Versailler Vertrages Flugzeuge gebaut. „Offiziell wurden die dort gefertigten Waren als Möbel deklariert und nach Schweden ausgeflogen. Selbst die Mitarbeiter trugen bis in die 1930er-Jahre Zivilkleidung, um den Schein zu wahren“, berichtet Rolf Fechner.

Wasserflugzeuge landen jetzt nicht mehr am Priwall – dafür befindet sich dort heute ein Naturschutzgebiet.

Wasserflugzeuge landen jetzt nicht mehr am Priwall – dafür befindet sich dort heute ein Naturschutzgebiet.

Britisches Aus für den Flughafen
Mit Ende des Zweiten Weltkrieges endete allerdings die Nutzung des Flugplatzes Priwall. „Als die Briten 1945 einmarschierten, demontierten sie den Flughafen“, schildert der Heimatforscher die Umstände. Vom Flughafen selbst ist heute nichts mehr erhalten, stattdessen wurde der südliche Priwall nach 1945 aufgeforstet und dient seitdem als geschützter Lebensraum für Pflanzen und Tiere. „Im Naturschutzgebiet kann man stundenlang spazieren“, merkt Rolf Fechner an. Genug Naturraum also, damit sich dort „der heute mehr denn je in Anspruch genommene Geschäftsmann“ – und natürlich auch jede Geschäftsfrau – von den Strapazen des Alltags erholen kann …

LN

 

weitere Informationen über den Flughafen finden Sie unter:

https://www.priwallbewohner.de/

Aktuelles: Geschichte des Priwalls  6 - 8 Folge und Flughafen Priwall